
Diese High-Tech bzw., wie Katalog-Texter abfällig formulieren, High-Chem-Jacken haben schon einen gewissen Sex-Appeal. Die Dinger, die es von Marmot, The North Face, Fjällräven und all den anderen Premium-Herstellern von Outdoor-Bekleidung zu kaufen gibt (Jack Wolfskin lassen wir mangels Coolness-Faktor mal in der Aufzählung weg), sehen gut aus, sind funktionell und in der Regel sauteuer. Man sieht mit solch einem Kleidungsstück dann freilich auf jedem Wanderweg im Hochsauerland aus, als befände man sich geradewegs auf dem Weg von Basecamp zu Basecamp "am Everest". Vor allem, wenn man dann noch mit hochalpinem Schuhwerk über den breitgewalzten Schotterweg stiefelt. Der Wahn, möglichst wasserdicht in dreilagiges Goretex gehüllt mit dem Hund rauszugehen, wurde vor einiger Zeit abgelöst von einem Irrsinn namens Softshell-Jacke. Die hat eine eher weiche, meist gummiartige Optik, ein paar Reißverschlüsse außen, fast immer keine (!) Kapuze und ist für das, was sie darstellt, extrem teuer. 300 Euro für ein Markenprodukt der Schweizer Nobel-Firma Mammut oder von den Norwegern von Bergans sind gar nix. Dann wird bei Globetrotter oder wo auch immer man sich solche Joppen anschaut stets das Softshell-Mantra gesungen: "Diese Jacken sind für 80 Prozent aller Wetterlagen hervorragend geeignet." Das soll zum Ausdruck bringen, dass man mit diesen Hightech-Teilen fast immer richtig angezogen ist. Rein wettertechnisch. Wenn man aber mit seinem Softshell-Dingens in den 20-Prozent-Regenguss kommt, hilft das nicht viel. Zumal unerklärlich ist, wieso diese Dinger nicht wenigstens eine leichte, versenkbare Kapuze haben.
Na ja, aus besagten Erwägungen habe ich bisher vom Erwerb einer Softshell-Jacke abgesehen. Allerdings besitze ich diverses Hightech-Regenzeug. Einmal vom teuren norwegischen Hersteller Norröna und vom auch nicht eben günstigen US-Amerikaner Marmot. Und was soll ich sagen: Das Zeug ist nicht wirklich toll. Regnet es mehr als nur ein paar Tropfen, geht bei beiden angeblich wasserdichten Jacken ordentlich Nässe durch. Außerdem schwitzt man innen trotz Netz (Norröna) und Beschichtung mit irgendwelchen "Seidenproteinen" und Unterarmbelüftung (Marmot). Ganz ehrlich: Abgesehen davon, dass sie besser aussehen, taugen die Hightech-Regenjacken nicht mehr als die Billigteile von Aldi oder Tchibo. Die einzigen Jacken, die ich kenne, die wirklich dicht sind, sind dicke Goretex-Jacken, ein Friesennerz und eine gewachste Barbour-Jacke. In denen schwitzt man zwar auch tüchtig, bleibt aber von außen trocken! Die Mär von der federleichten Jacke, die wasserdicht und atmungsaktiv ist, ist in meinen Augen wirklich eine Mär.
Also abgewendet von dem Hightech-Zeug und hin zu Low-Tech. Dieses scheint ein neuer Trend zu sein. Überall werden die funktionalen Eigenschaften von Merino-Wolle gepriesen (stinkt nicht, hält warm), Globetrotter bietet eine dürre Jacke von Norröna aus organischer (!) Baumwolle für den Fantasiepreis von 160 Euro an. Wohlgemerkt: Schnitt und Verarbeitung sind toll, aber es handelt sich um ein dünnes Baumwoll-Jäckchen mit großen Label auf dem steht "Pure Organic". Trend, ich hör Dich trappsen. Man muss aber fairerweise sagen, dass die organische Baumwollejacke schick aussieht, ne Kapuze hat und naturgemäß tausendmal atmungsaktiver ist, als ihre Softshell-Genossen. Und wenn es wirklich nur ein bisschen tröpfelt, schützt das Low Tech genauso oder besser wie die Softshell-Jacke ohne Kapuze. Manufactum bietet Kapuzenjacken aus EtaProof an, das ist dicht gewebte Baumwolle nach dem Vorbild von Regenschirmseide, die auch ohne technische Ausrüstung weitgehend trocken halten soll. Klingt interessant. Der Trend zu Low Tech ist aus funktionellen und ästhetischen Überlegungen zu begrüßen. Billiger wird das coole Jackenzeugs damit aber nicht. Doch was, soll's. Die Jacke ist für den Mann ja sowas Ähnliches wie die Handtasche für die Frau.
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