Mittwoch, 7. Mai 2008

Lidl: Der Angriff der Sonder-Werbeform auf die Online-Welt.

Hilfe! Lidl und die Medien, das entwickelt sich zu einer Liebe-Hass-Beziehung. Wobei die Liebe offenbar eher käuflicher Natur ist. Lidl hat ja was Publicity und Image angeht derzeit das eine oder andere Problem. Lidl ist aber auch einer der größten Anzeigenkunden der "Bild"-Zeitung. Der Mitarbeiter-Bespitzelungs-Skandal wurde bei der "unanbhängigen" Bild klitzeklein abgefeiert. Ob es einen Zusammenhang gibt - man weiß es nicht. Kurz vor Muttertag schaltet Lidl jedenfalls wieder fleißig bei "Bild Online". Und in der gedruckten "Bild" war eine ganzseitige Anzeige (nicht billig), die wortreich erklärte, warum Lidl in Wahrheit doch ganz toll ist. Mit freundlichem Verweis auf die Mitarbeiter-Initiative "Wir arbeiten gerne bei Lidl". Die Initiative wurde von Andreas Kunze, dem Leiter einer Lidl-Filiale in Karslruhe ins Leben gerufen, der sich und seine Kollegen durch die anhaltende Negativ-Berichtersattung angeprangert fühlt.

Und damit es auch ja keiner übersieht widmet "Bild Online" der Lidl-Initiative auch gleich ganz viel Platz in der Ratgeber-Rubrik. Mit Großer redaktioneller Aufmachung und dem kleinen Wörtchen Anzeige rechts oben über dem Lidl-Logo. Das könnte eventuell auch den Presserat interessierten. Lidl-Aktivist Kunze betont stets, dass die Initative von ihm selbst und weiteren Mitarbeitern ausging und nicht von der Konzernzentrale gesteuert wird. Die Lidl-Zentrale in Neckarsulm wird's trotzdem gerne sehen.

Aber Lidl hat nun auch ein weiteres Medium aus dem Hause Springer für sich entdeckt: "Welt Online". Unter dem Namen "Welt Dialog" hat Lidl eine Art Online Anzeigen Sonderveröffentlichung im Look and Feel eines redaktionellen Angebots gestaltet. Das Ergebnis ist PR mit der Brechstange. Die Fragen, die die lieben Kunden stellen sind z.B. folgende: "Sehr geehrtes Lidl-Team, das ist doch ein echtes Dilemma: Einerseits müssen Sie als Discounter möglichst billig anbieten. Das erwarten nicht zuletzt Ihre Kunden." "Vielen Dank, eine sehr gute Frage", möchte man da als Lidl-PR-Knecht entgegnen.

Dann gibt es Umfragen wie "Was kann Lidl in Zukunft unternehmen, um das Vertrauen der Kunden weiter zu stärken?" Eine Antwort-Möglichkeit: "Offen und transparent mit Kunden kommunizieren." Den Rest kann man sich denken. Das Ganze ist, wie gesagt, aufgemacht wie redaktioneller Inhalt. Juristisch in diesem Fall wohl einwandfrei, zumal man fliegendreckgroß "Anzeigen-Sonderveröffentlichung" oben links hingepinselt hat. Aber es hat schon mehr als ein Gschmäckle. Der "Welt Dialog" wird relativ prominent mit einem Kasten auf der "Welt Online"-Homepage verlinkt - hier fehlt freilich das Wörtchen Anzeige.

Weiterer Bestandteil der Lidl-Kampagne in der Springer-Presse waren ganzseitige Anzeigen in "Welt am Sonntag" und "Bild". Die "WamS"-Anzeigen haben offenbar auf den "Welt Dialog" aufmerksam gemacht, Lidl-Aufsichtsrat Klaus Gehrig ist mittlerweile auch selbst in die Offensive gegangen und war u.a. bei "SWR1 Leute" zu Gast. Am Ende des Gesprächs sagte er, er hoffe, dass jetzt ein Weilchen Ruhe einkehrt. Das war vor den Wallraff-Enthüllungen über unmenschliche Zustände bei einem Lidl-Brötchen-Bäcker in der "Zeit".

Mit Dampfhammer-PR à la "Welt Dialog" kommt Gehrig hoffentlich nicht weit. Lidl muss in Sachen Öffentlichkeitsarbeit noch eine Menge lernen. Und der Glaubwürdigkeit von Springers Presseerzeugnissen wäre es auch nicht abträglich, wenn mit dem großen Anzeigebkunden Lidl ein bisschen weniger gekuschelt würde. Im SWR-Gespräch hatte Gehrig eingeräumt, dass die Umsätze von Lidl nach der Berichterstattung über die Spitzel-Affäre im einstelligen Prozentbereich zurückgegangen sind. Es wäre interessant zu beobachten, wie sich das weiter entwickelt. Genaue Zahlen hält Lidl aber natürlich unter Verschluss.

1 Kommentar:

  1. [...] unmenschliche Arbeitsbedingungen herrschen. Und was macht Lidl? Schaltet als Redaktion verschleierte Anzeigen bei den Freunden von “Bild” und “Welt” und schickt Chef Klaus Gehrig zu [...]

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