Mittwoch, 4. Juni 2008

Wer Zeitschriften kauft, ist doof.

focus_lufthansa

Post vom Kreditkarten-Unternehmen. Drin: Die übliche Abrechnung und, huch, eine Gratis-Offerte für das Münchner Faktenhuber-Magazin "Focus". Inhaber der Miles&More-Kreditkarte der Lufthansa dürfen für umsonst lesen:
„Als Inhaber der LufthansaMiles & More Credit Card haben Sie jetzt die Möglichkeit, ‚Focus ’ für die Dauer von einem Jahr gratis und unverbindlich zu lesen.“

Man muss sich lediglich mit Name und Adresse auf einer Website registrieren und nach ca. acht Wochen soll der "Focus" ins Haus flattern. Nicht, dass die kostenfreie Belieferung mit Burdas Ratgeber-Heft auf der persönlichen Prioritätenliste ganz weit oben gestanden hätte - aber einem geschenkten Gaul...

Aber wer so freigiebig ist wie der "Focus", hat bestimmt auch einen Grund dafür. Schauen wir uns das Heft, das gerne in einem Atemzug mit "Stern" und "Spiegel" genannt wird, doch mal ein wenig genauer an.



Im 1. Quartal des Jahres verkaufte das Magazin im Schnitt 704.975 Exemplare. Klingt viel. Aber: Von den über 700.000 Stück wurden fast 170.000 stark verbilligt als Bordexemplare an Fluglinien abgegeben, fast 90.000 Hefte landeten bei Lesezirkeln. Etwas über 8.000 gingen in die „sonstigen Verkäufe“. Das sind Verkäufe, bei denen große Zeitschriften-Kontingente zu Sonderkonditionen abgegeben werden. Zum Beispiel wurden Passagiere auf dem Frankfurter Flughafen eine Zeit lang an großen Ständern mit kostenlosen „Hörzu“-Ausgaben versorgt. Oder Kunden der Autovermietung Europcar konnten in der Filiale ein „Capital“ für lau mitnehmen. In Hotelzimmern lag gerne mal eine „TV Spielfilm“ oder „TV Movie“ zu freien Mitnahme aus. Das sind so die „sonstige Verkäufe“.

Der Einzelverkauf am Kiosk ist die nach wie vor härteste Währung im Zeitschriftengeschäft, weil der Kunde hier echtes Geld auf den Tresen legen muss. Man darf also eine echte Kaufabsicht unterstellen. In dieser harten Währung verkaufte der "Focus" gerade noch 131.687 Exemplare. 130.000 von 700.000. Zum Vergleich: der „Stern“ verkaufte im gleichen Zeitraum 339.529 am Kiosk, der „Spiegel“ 378.768 und die ebenfalls aus dem Hause Burda stammende „Bunte“ 344.218 Exemplare. Man sieht deutlich, bei wem die Auflage ein wenig Aufhübschung vertragen kann. Abos zählte der „Focus“ im 1. Quartal noch 305.786.Die gratis verteilten Kreditkarten-Abos des „Focus“, werden sich in der übernächsten Quartals-Auswertung der Auflagen niederschlagen.

Die Münchner sind aber nicht die einzigen in der Branche, die bei den Abos tricksen. Das Abo galt einst neben dem Einzelverkauf als ebenbürtige Währung, um die Akzeptanz einer Zeitschrift im Käufermarkt zu messen. Diese Zeiten sind perdu. Man muss sich nur auf einschlägigen Websites wie www.abo-navi.com oder www.abotraum.de umschauen. Den „Stern“ bekommt man über den Zwischenhändler Hobby + Freizeit für 140,80 Euro im Jahresabo. Dafür winken als Prämie entweder 80 Euro in bar, das entspricht einerRabattierung von fast 57 Prozent, oder ein Waren-Gutschein in Höhe von 100 Euro, womit der „Stern“ über 70 Prozent günstiger zu haben ist. Dasselbe Spielchen kann man mit „Spiegel“, „Bunte“, „Hörzu “ und jeder anderen Zeitschrift machen. Stets winken Rabatte in Höhe zwischen 10 und 110 Prozent. Ja, richtig gelesen! Springers „Hörzu“ gibt es über Hobby + Freizeit inklusive eines Einkaufsgutscheins von Otto in Höhe von 100 Euro. Das Jahresabo der Zeitschrift schlägt aber nur mit 86,20 Euro zu Buche. Einen 5-Euro-Rabatt für Zahlung mit Bankeinzug eingerechnet. Eigentlich illegal. Auch nach dem Wegfall des Rabattgesetzes dürfen Abo-Prämien bei Zeitschriften den Wert von 6 Monats-Bezugspreisen nicht übersteigen. Eine Regelung, um die sich kaum einer in der Branche schert.

Anbieter wie Hobby + Freizeit oder auch der Deutsche Post Leserservice gehören zum so genannten WBZ-Segment. WBZ steht für „Werbender Buch und Zeitschriftenhandel“ und der gilt nicht als die seriöseste Verbindung zwischen Verlag und Kunde. Die Hamburger Verlagsgruppe Bauer geriet Anfang 2007 in die Schlagzeilen, weil ein Vertriebsdienstleister aus dem WBZ-Umfeld Abo-Gelder in Millionen-Höhe veruntreut haben soll. Der so genannte „Drückerkönig“ hat Provisionen für Abos bei Bauer abgerechnet, die gar nicht abgeschlossen wurden. Die Affäre gipfelte in einem Mordversuch, den der „Drückerkönig“ gegen einen Bauer-Mitarbeiter in Auftrag gegeben haben soll. Solche Zustände sind sicher Ausreißer, aber die Affäre zeigt, wie rau es bisweilen zugehen kann im Geschäft mit Zeitschriften-Abos. Beim Wort „Drücker“ denkt man sofort an Ex-Strafgefangene, die in Kleinbussen durch die Lande gekarrt werden, um Omas unnütze Magazin-Abos aufzuschwatzen. Das gibt es vereinzelt auch noch, doch dies sind Methoden von gestern. Heutzutage werden Abos mit Hilfe des Internet oder dreisten Rabatt-Aktionen in den Markt gedrückt.

Wie verzweifelt die Vertriebsmitarbeiter dabei gelegentlich vorgehen, zeigt das Beispiel "Max". Im Februar 2007 bot ein Mitarbeiter eines Call-Centers die Lifestyle-Zeitschrift ehemaligen Abonnenten am Telefon für zwei Euro an: Zwei Euro pro Heft? Nein, zwei Euro pro Jahr! Dummerweise hatte der Call-Center-Mensch einen Reporter der "Welt am Sonntag" am Apparat, der den Vorgang veröffentlichte. Und geholfen hat die Verzweiflungstat auch nichts. "Max" ist mittlerweile eingestellt.

1 Kommentar:

  1. [...] Linie eine Art Rudis-Reste-Rampe für Belletristik der preiswerten Art. Heute flatterte mir aus dem gratis ins Haus gelieferten so genannten Nachrichtenmagazin “Focus” ein Prospekt von Weltbild entgegen. [...]

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