Vor einiger Zeit habe ich hier über die Hamburger Drogerie-Kette Budnikowsky, kurz Budni, geschrieben. Ich war aus Kundensicht hoch erfreut, Produkte von Tchibo, dm, und Markenware unter einem Dach vorzufinden. Einige kritische Kommentare von Lesern haben mich dazu gebracht, ein bisschen näher in die Thematik Budni und das gute Image einzusteigen. Die Kette ist offensichtlich sehr darum bemüht, sich eine sauberes, Gutmenschen-Image zu verpassen. Der Claim der Kette lautet "Jeden Tag Gutes tun". Es gibt auf der Budni-Website einen eigenen Menüpunkt "Verantwortung" und den gemeinnützigen Verein Budnianer Hilfe, der sich mit Spenden u.a. um Kinderhilfs- und Kulturprojekte kümmert. Budni hat einen Kunden-Beirat, dem u.a. der Deutsche Kinderschutzbund, der BUND, das Diakonische Werk und Greenpeace angehören. Für die Mitarbeiter wird einmal im Jahr ein großes Betriebsfest veranstaltet, es gibt Fest zu Filial-Jubiläen und kurz vor Weihnachten das traditionelle "Tannenbaumschlagen". Alles prima im Budni-Land? Nun, im Oktober zog Budni einige Kritik auf sich, weil das Unternehmen unter dem Slogan "Ich bin Budni!" einen so genannten "Bekleidungs-Leitfaden" herausgebracht hatte. Es handelte sich um eine sehr detaillierte Vorschriften-Sammlung, wie sich ein Budni-Angestellter zu kleiden und zu pflegen und zu geben habe. Der Leitfaden enthielt Richtlinien von A - wie Atem (Speisenverkehr mit unangenehmem Atemeffekt unmittelbar vor Arbeitsantritt und auch während der Dienstzeit ist zu vermeiden.") bis Z - wie Zähne ("Es ist wünschenswert auf Zahnschmuck in jeglicher Form zu verzichten"). Also nicht noch schnell noch 'nen Döner mit Knofel-Soße reinfahren und ab zu Budni "auf Arbeit". Der Leitfaden löste einen Proteststurm unter den Budnianern aus und sorgte dafür, dass sich die Hamburger Niederlassung Verdi mit den Gutmenschen von Budnikowsky befasste.
Verdi gab ein arbeitsrechtliches Gutachten bei dem Hamburger Anwalt Christian Lewek in Auftrag, der zu dem Schluss kam, dass der Bekleidungs-Leitfaden rechtlich nicht zulässig ist. Zum Einen weil der Leitfaden weit in die Privatsphäre der Mitarbeiter hineinreicht, ihnen zum Beispiel Vorschriften zur Körperpflege und Erscheinungsbild macht (Deo benutzen, Frauen sollen Makeup benutzen, Fingernägel schneiden, Männer dürfen keine langen Haare tragen). Der Anwalt stellte zumdem fest, dass den Regelungen des Leitfadens ein tatsächlicher Regelungscharakter zukommt. Auch wenn die Regeln lediglich als "Empfehlungen" deklariert seien, handle es sich um Weisungen des Arbeitgebers.
Budni reagierte prompt und änderte seinen "Bekleidungs Leitfaden 'Ich bin Budni'" in "Bekleidungsempfehlung 'Ich bin Budni'". Hier und da wurden im Text Konjunktiv-Formulierungen eingestreut, aus einem "soll" wurde ein "sollte". Außerdem wurde der neuen "Empfehlung" ein Schreiben der Geschäftsführung vorangestellt, in dem steht, dass das Papier "ausschließlich als Empfehlung und Orientierungshilfe" zu verstehen ist und es sich nicht um eine "Anweisung mit verpflichtendem Inhalt" handelt. Auch die "Hamburger Morgenpost" berichtete über den Fall.
Nun ist es sehr fraglich, ob kosmetische Veränderung etwas an dem grundsätzlichen Problem einer solchen Kleider-Empfehlung ändern. Selbst wenn offiziell keine Sanktionen angedroht werden, so spricht aus den Äußerungen einiger Budni-Angestellten doch die Angst vor "Konsequenzen" oder konkret dem Verlust des Arbeitsplatzes, wenn man sich nicht den "Empfehlungen" beugt.
Zitat aus einer Mail, die mir ein Budni-Angestellter schrieb:
Hinter den Kulissen von Budni läuft eine Menge schief, aber vor dem Kunden muss das Lächeln immer perfekt sitzen, auch wenn der Mitarbeiter total ausgelaugt ist und dem gar nicht nach Lächeln ist. Und wofür das ganze? Für ein popeliges Gehalt.
Beschwerden über das Gehalt gibt es wahrscheinlich in jeder Firma und im Einzelhandel ist das Gehaltsniveau schon immer sehr niedrig. Dass es aber auch bei einem Unternehmen wie Budni, die sich nach außen hin mit dem Glanz des Gutmenschentums umgeben, intern so deutlich vernehmbar knirscht, ist bemerkenswert.
Ein weiterer Kritikpunkt, der mehrfach geäußert wurde, sind nicht eingehaltene Arbeitszeit-Regeln. Wieder ein Zitat aus der Mail eines Budni-Mitarbeiters:
Ich selber musste schon das eine oder andere Mal länger als 10 Stunden arbeiten und habe nicht dementsprechend viel Pause machen dürfen. Die Mehrarbeit wird dann auf einen anderen Tag gepackt, damit bei den Behörden nichts auffällt.
Eine andere Budnianerin kommentierte in meinem vorigen Budni-Beitrag:
Kürzlich wurden wir sogar per E-Mail aufgefordert unsere Stunden im PC “anzupassen”. Das Gewerbeaufsichtsamt kontrolliert zur Zeit und soll nicht mitbekommen, dass Mitarbeiter teilweise 13 Stunden arbeiten OHNE die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten! Denn 3 Stunden Pause werden nie gemacht mit Billigung von “oben”.
Mehrere Mitarbeiter berichteten zudem, dass Budni-Kollegen damit gedroht worden sei, dass ein "Buffet-Anteil" von ihrem Lohn einbehalten werde, wenn sie einer sonnabendlichen Betriebsfeier fernblieben. Insgesamt alles wenig erfreulich. Ich glaube allerdings, dass es sich weniger um ein Budni-Problem, sondern eher um ein generelles Problem des Einzelhandels handelt.
Bei DM gibt es soetwas nicht!!!
AntwortenLöschenBin seit Beginn meines 16. Lebensjahres
im Einzelhandel beschäftigt (aktuelles Alter 25).
Hatte seitdem 6 verschiedene Arbeitgeber gehabt.
Noch nie wurde ich so gut bezahlt (übertariflich), hatte so viel
Urlaub (übertariflich), wurde so genau auf die Einhaltung meiner Pausen geachtet und durfte ich meine eigene Persönlichkeit so frei entfalten wie bei DM!!!
Danke Herr Prof.Werner und Herr Harsch, so macht der Beratungsintensive Einzelhandel endlich wieder Spaß!!!