Die Bahn. Endlose Gleiskilometer. Unendliche Probleme. Streiks, Mitarbeiter, die ausgespäht werden, knirschende Achsen am ICE, Tumulte wegen des in letzter Minute zurückgenommenen "Bedien"-Zuschlags an Kassen, Börsengang abgeblasen, Kurzarbeit beim Güterverkehr. Was für eine crazy Firma! Mich als Kunde interessiert dieses Bahn-Unternehmensgedöns freilich nur am Rande. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Das ist natürlich top-interessant und spannend, wie sich der mächtige Manager-Zwerg Hartmut Medohrn durch diesen Chaos-Laden laviert, aber ich richte meinen Blick hier lieber auf die Mikro-Perspektive. Der Mann, der morgens um halb sieben am zugigen Bahngleis in Osterburken steht. Die Comfort-Lounge ist ganz weit weg. Das bin ich. Trotzdem sieht es für die Bahn gar nicht so schlecht aus.
Das Buch "...senk you for trävelling" steht in den Bestseller-Liste und der Bahn-Schmäh ist ja mittlerweile so etwas wie eine eigene Stilform im deutschen Journalismus. Trotzdem: Die Bahn wird überleben. Und zwar nicht, weil sie ein Staatsunternehmen ist und unverzichtbar für die Infrastruktur des Landes (ja, okay, doch auch deswegen), sondern: Die Leute lieben die Bahn. Bei manchem mag es eine Hassliebe sein, bei anderen ist die Beziehung über die Jahre erkaltet aber richtig egal ist die Bahn keinem. Jedenfalls keinem, der mit ihr fährt und das sind immer noch sehr sehr viele. Fast jeder hat eine Meinung zu ihr, alle regen sich auf. Wenn man mit der Bahn unterwegs war, da hat man hinterher meistens was zu erzählen. Bei der Bahn gilt der olle Spruch "Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen".
Zeit für eine kleine Storysammlung zur Bahn. Hier kommt Teil 1: Spaß mit der Reservierung
So eine Reservierung ist eine feine Sache. Man bekommt seinen Sitzplatzanspruch garantiert. Schon dieses Wort: "Sitzplatzanspruch". Deutscher geht's kaum. Mittlerweile berechnet die Bahn einem Kunden 2 Euro pro Strecke für eine Sitzplatzreservierung. Der routinierte Schienenreisende reserviert natürlich in den allermeisten Fälle. Außer man hat gerade mal Lust auf extra Nervenkitzel oder man befährt eine Strecke auf der tendenziell eher nix los ist (z.B. abends an einem Werktag von Hamburg nach Würzburg mit dem ICE - sehr angenehm).
In der Theorie besteigt man also mit seiner Reservierung und seiner Fahrkarte, seiner Bahncard und der dazugehörigen Ausweiskarte (Kreditkarte) den ICE. Während sich die üblichen, mit schwerem Gepäck beladenen, Menschentrauben an den Eingängen drängeln bleibt man gelassen. Man hat ja reserviert. Nun beginnen die Probleme. Nach hektischem Absuchen der zugewiesenen Sitzplatznummer ist der reservierte Platz belegt.
Im günstigen Fall hat sich dort ein Vertreter der Gattung Vertriebs-Ochse samt Laptop, Blackberry und Bluetooth-Headset breitgemacht und ochst sich durch seine Excel-Tabelle. So jemanden vertreibt man natürlich ohne Skrupel. Der Vertriebs-Ochse ist ja an sich auch gerne in Bewegung. Blöd aber, wenn sich jemand mit offensichtlicher Behinderung auf dem reservierten Platz niedergelassen hat. Da muss man in den sauren Apfel beißen und sich einen neuen Platz suchen, die bohrenden Blicke der Mitreisenden sind sonst nicht zu ertragen. Tipp: Das Behinderten-Abteil suchen und sich dort setzen. Quid pro quo. Nimmst Du mir meinen Platz, nehm' ich mir deinen.
Es erging mir mal tatsächlich so, dass ich in Darmstadt an einem crazy Freitagabend (Wochenendpendler! Der routinierte Bahnmensch weiß, was das heißt) mit Cheeseburger und Rollkoffer einen zum IC umetikettierten Inter-Regio Wagen bestieg. Voll Vorfreude nun inmitten des Getümmels auf meinem reservierten Platz den mitgebrachten Burger zu verspeisen. Was sah ich: Auf meinem reservierten Platz hatte sich ein Blinder (!) niedergelassen. Tja, was will man machen? "Hallo, haben sie nicht gesehen, dass hier reserviert ist?" geht ja wohl kaum. Also ab ins Behindertenabteil und ohne Gewissensbisse herzhaft zugebissen.
Dies sind die beiden Fahrgast-Typen bei denen das Verhalten klar vorgegeben ist: Vertriebs-Ochse - ins Bord-Bistro vertreiben. Behinderter - sitzen lassen. Richtig schlimm ist es aber, wenn ein älterer Mitbürger fehlsitzt. Unsere Altvorderen unter den Mitreisenden sind nämlich nicht in der Lage, das komplexe Reservierungs- und Sitzplatz-Zuteilungssystem der Bahn intellektuell zu durchdringen. In 95 Prozent solcher Fälle kontert der Senior den vorgetragenen Sitzplatzanspruch mit der Bemerkung, selbst eine Reservierung zu haben. Merke: Alte reisen niemals (!) ohne Reservierung. Also erst einmal klären: "Sind wir auch im richtigen Wagen?" Meistens ist es das. Dann kann einem die Bahn natürlich auch lustige Streiche spielen, indem die elektronischen Reservierungsanzeigen ausfallen oder kollektiv durch die nebulöse Anweisung "ggf. freigeben" ersetzt werden. Dies versetzt ICE-Wagenladungen regelmäßig in den Zustand fiebriger Erregung wegen akuten Sitzplatz-Verlustängsten.
Beliebt auch das Spiel "Zug xy verkehrt heute in umgekehrter Wagenreihenfolge". Da kann man sich schon Mal mental aufs Rentner-Verjagen einstellen.
Deutsche Bahn schaltet Staatsanwaltschaft ein...
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