Wirtschaftskrise = Autokrise. Ganz so einfach geht die Formel freilich nicht auf. Die Probleme der Autobranche reichen tiefer als die aktuelle Wirtschaftskrise vermuten lässt. Die Wirtschaftskrise deckt vielmehr gnadenlos die Defizite auf, die bei den Auto-Konzernen über Jahre hinweg unter den Teppich gekehrt wurden. Einige Hersteller sind dabei naturgemäß stärker betroffen als andere. An vorderster Front stehen die drei US-Autobauer General Motors, Chrysler und Ford. Über deren ignorantes bis arrogantes Management und über Jahrzehnte verfehlte Modellpolitik ließe sich vieles sagen. Ich möchte mich hier aber auf den deutschen Autobauer schlechthin konzentrieren: Volkswagen. Ich glaube, dass Volkswagen die ganz große Krise erst noch bevorsteht und dass es schlimm wird. Die Firma steuert auf einen Abgrund zu und die Verantwortlichen am Steuer denken sich: Bis hierhin lief's eigentlich ganz prima.
Gerade hat Vorstandschef Martin Winterkorn auf der Automesse im krisengrauen Detroit noch auf dicke Hose gemacht. VW verbuchte im Jahr 2008 einen Rekordabsatz. Weltweit wurden 6,23 Mio. Autos verkauft. Ein Plus von 0,6 Prozent. Na ja.
Winterkorn:
"Das zeigt, dass sich die Mehrmarkenstrategie unseres Konzerns bezahlt macht und unsere junge, attraktive Modellpalette bei den Kunden weltweit ankommt."
Nun, zum einen war das im Jahr 2008, zum anderen wäre interessant zu erfahren, wie stark der Anteil von Audi und Skoda an dem Mager-Wachstum ist. Seat und Volkswagen haben im Konzern nämlich offenbar deutlich größere Probleme als ihre beiden Schwester-Marken. Positiv für Volkswagen war zudem die Nachricht, dass 2008 Fox, Polo, Golf, Touran und Passat Spitzenplätze beim Großkundengeschäft, also beim Geschäft mit Firmenwagen belegt haben. Top-Seller war hier einmal mehr die Vertreter-Kutsche schlechthin, der Passat Variant. 100.690 Autos hat Volkswagen 2008 an Großkunden abgesetzt.
Also alles Bombe in Wolfburg?
Ich denke: nein.
Nämlich:
- Das Flottengeschäft ist eine wichtige Stütze für die Marke Volkswagen im VW-Konzern und dürfte aufgrund der Wirtschaftskrise 2009 drastisch einbrechen. Dafür kann Volkswagen nun nichts, gut ist es aber trotzdem nicht.
- Volkswagen hat bisher immer erst sehr spät auf Automobil-Trends reagiert. Der Touran kam Jahre nach dem Renault Scenic und dem Opel Zafira, der Touareg viel später als der BMW X5 und der Tiguan nun ebenfalls viele Jahre nach dem BMW X3.
- Der Trend hin zum Partikel-Filter bei Diesel-Fahrzeugen wurde (wie bei anderen deutschen Herstellern) komplett verpennt. Erst als die Franzosen, allen voran Peugeot, mit ihren Partikelfiltern extremen Marketing-Druck aufbauten und die Politik hellhörig wurde, haben sich Volkswagen und Co bewegt.
- Volkswagen hat ein Vertriebsproblem. Die Händler vor Ort sind einerseits frustriert und werden vom Konzern zu gewaltigen Ausgaben gezwungen, um ihre Filialen der Corporate Identity anzupassen. Andererseits herrscht in vielen Filialen vor Ort eine Servicewüsten-Mentalität.
- Viele Autos wurden als verbilligte Jahreswagen und mit günstigen Leasing-Verträgen in den Markt gedrückt. Viele Fahrzeuge wurden außerdem auf Halde produziert und stehen auf den Parkplätzen der Händler ihre Reifen platt. Eine Blase aus Blech.
- Zwischen den Gewerkschaften, dem VW-Betriebsrat und der alten Konzernführung wurde eine Konsensmentalität etabliert, die in der Lustreisen-Affäre gipfelte, den Konzern aber bis heute lähmt. Manager, die den Wohlfühlverein Volkswagen auf Vordermann bringen wollten, wie der Ex-VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhardt, scheiterten.
- Volkswagen hat viel mit Mängeln an Fahrzeugen zu kämpfen. Das Gehaltsgefüge ist im Branchenvergleich hoch. Es gibt schlicht zu viele Mitarbeiter und zu viele Fabriken für eine stagnierende bis rückläufige Nachfrage in West- und Mitteleuropa.
- Die Konsens-Mentalität bei Volkswagen und die Standort-Interessen (Arbeitsplätze!) des Landes Niedersachsen als Großaktionär haben notwendige Sanierungsschritte bisher verhindert.
Erste Anzeichen des aufziehenden Sturms bei Volkswagen gibt es bereits:
- Porsche ist mittlerweile Mehrheits-Eigner. Mittelfristig wird sich das Porsche Management mit harten Maßnahmen gegenüber dem Land Niedersachsen durchsetzen.
- Bei VW-Nutzfahrzeuge in Hannover wurden bereits 1.000 Leiharbeiter entlassen.
- Ein Drittel der VW-Beschäftigten wird Ende Februar in Kurzarbeit geschickt.
Aber dies sind erst zarte Vorboten dessen, was noch kommen wird. Wahrscheinlich:
- Muss eine signifikante Zahl der 92.000 VW-Beschäftigten in Deutschland abgebaut werden.
- Wird mindestens ein Werk innerhalb Deutschlands geschlossen.
- Wird das Marketing-Budget drastisch zusammengestrichen.
- Wird es weitere Kündigungen von Zeitarbeitern und eine massive Ausweitung der Kurzarbeit geben.
- Werden Zulieferer-Verträge gekündigt und möglichst viele ausgelagerte Tätigkeiten zurück in den Konzern geholt (In-Sourcing)
- Werden neue Modelle künftig tendenziell im Ausland gebaut.
Meine Prognose:
All diese Maßnahmen werden spätestens bei Vorlage der Bilanz für das Jahr 2009 umgesetzt oder ernsthaft geplant. Der Vokswagen-Konzern heute ist zu groß, zu schwerfällig, zu staatsnah, zu selbstzufrieden. Keine gute Mischung.
[...] inzwischen gehen mussten, bekommt nun mehr und mehr auch die Stammbelegschaft zu spüren, wie hart die Krise der Autobranche wirklich ist. In einer Woche geht es dann wieder weiter, wie stark die Drosselung der Produktion bei Volkswagen [...]
AntwortenLöschen[...] geht einmal mehr um die Probleme der heimischen Auto-Industrie. Opel hängt bekanntlich am Tropf von General Motors und ist von der [...]
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