Freitag, 6. Februar 2009

Bahn-Geschichten (2): Ärger in der Comfort-Zone

Zweiter Teil mit Geschichten und Betrachtungen rund um unser liebstes Hass-Verkehrsmittel. Es gab eine kurze, schlimme Zeit im Jahre 2002, da dachte die Bahn, sie sei sowas Ähnliches wie die Lufthansa, bloß halt mit Schienen. Da hat der wütende Bahn-Zwerg Hartmut Mehdorn die Bahncard 50 abgeschafft und durch eine Bahncard 25 ersetzt, die nur noch 25 Prozent Rabatt brachte. Die Zug-Restaurants sollten kollektiv durch "Bord Bistros" ersetzt werden. Man sollte seine Züge vorbuchen und wenn an einen verpasste, sollte man ein neues Ticket kaufen oder sich zum Teufel scheren. They call it "Zugbindung". Ungefähr in jenen dunklen Tagen (Mehdorn musste den Mumpitz nach massiven Protesten und Umsatzeinbrüchen wieder beenden) hatte die Bahn auch die Idee zu einem Bonus-Programm nachVorbild der Vielflieger-Programme wie Miles and More und Co. Das Bahn-Vielfahrerprogram gibt es noch, es hört auf den Namen Bahn Comfort und ist ein Quell beständigen Ärgers.



Die Idee ist es jenen Leuten, die sehr viel mit der Bahn unterwegs sind, besondere Privilegien einzuräumen, die das Fahren mit der Bahn noch komfortabler werden lassen. Deshalb "Comfort". Um diesen Status zu erreichen muss man 2.000 "Comfort"-Punkte innerhalb von zwölf Monaten sammeln. Normalerweise entspricht ein Punkt einem Euro Umsatz. Man muss also in zwölf Monaten für 2.000 Euro Bahn fahren, was so wenig nicht ist.

Folgende Privilegien darf man genießen, wenn man den "Comfort"-Status erreicht:

  • Man darf am Erste-Klasse-Schalter anstehen

  • Man darf in die die Bahn-Lounges in den Großstadt-Bahnhöfen rein

  • Es gibt in jedem ICE einen Bereich mit Sitzplätzen, die für Kunden mit "Comfort"-Status reserviert sind


Den Erste-Klasse-Schalter kann man im Prinzip vergessen. Jeder, der 2.000 Euro pro Jahr mit der Bahn verfährt, wird den Teufel tun und sich dem Schalter-Irrsinn hinzugeben. Die Lounges sind natürlich toll. Man hat dort ein sauberes Klo, ordentliches Gestühl, Gratis-Eis und Zeitungen. Während der Plebs sich mit einem "Le Crobaque"-Croissant und Kaffeebecher auf dem zugigen Bahnsteig herumdrückt.

Die eigentliche Unverschämtheit sind aber die reservierten Sitze für Bahn-Comfort-Kunden. Die erkennt man daran, dass oben, wo normalerweise die Reservierungen abzulesen sind, "bahn.comfort" steht. Nun ist es ja nicht so, dass ich als Nicht-"Comfort"-Status-Inhaber diese Sitzplätze nicht benützen dürfte. Laut Bahn-Code-of-Conduct darf ich sie als Normalo-Fahrer benutzen, muss sie aber freigeben, sobald sich ein "Comfort"-Kunde nähert und er oder sie seine seine silbrige "Comfort"-Karte zückt. Dieses "Recht" muss sich der arme "Comfort"-Kunde aber erst erkämpfen.

Stellen wir uns den hundsgemeinen ICE an einem Freitag-Nachmittag von Hamburg in Richtung München vor. Dieser Zug ist knallvoll. Immer. Jeder Platz ist besetzt. Die Reservierer sitzen, die Hardcore-Fahrer haben sich vielleicht noch einen Platz im Restaurant erkämpft und halten sich dort für die nächsten fünfeinhalb Stunden an einer Tasse Kaffee fest. Natürlich ist an so einem Tag auch der "Comfort"-Wagen komplett belegt. In den Gängen türmen sich die Rollkoffer. Die Blackberry-Fraktion hat ihre Lenovo-Laptops aufgeklappt. Im Abteil packt Mutti das Leberwurst-Brot aus, während von außen der Bierbauch eines Vertriebsochsen gegen die Scheibe gepresst wird. Nun soll man als privilegierter "Comfort"-Kunde also hergehen und jeden der grimmig Guckenden im "Comfort"-Wagen fragen, ob er oder sie denn auch wirklich "Comfort"-Status" besitze. Und wenn nein, dann, hihi, würde man doch bitten aufzustehen usw.

Wer einmal das absolut grundlegende Unverständnis im Blick eines Rentners sah, dem einer versucht die Sitzplatz-Zuordnungs-Hackordnung der Bahn unter Berücksichtigung des "Comfort"-Status auseinanderzusetzen, der hält lieber seine Schnauze, stellt sich in Bord Bistro und ordert ein Weizen. Würde die Bahn es ernst meinen mit dem "Comfort", so wäre der "Comfort"-Bereich generell für Nicht-"Comfort"-Kunden geblockt. Und als Blockwarte müsste das Zugpersonal fungieren, nicht der Kunde. Der Zugbegleiter müsste bei der Fahrkartenkontrolle den Fahrgast dann höflich darauf aufmerksam machen, dass er hier nicht sitzen darf. Und auf die erstaunte Frage, warum denn nicht, könnte der Zugbegleiter etwas sagen im Stil von: "Weil wir diese Sitze für Fahrgäste freihalten, die uns wirklich wichtig sind. Also nicht sie." Man kann sich vorstellen, dass ein solcher Dialog einen gewissen Dis-"Comfort" auslösen würde.

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