Dienstag, 10. Februar 2009

Rosenthal, Märklin, Schiesser - wer ist der nächste?

Die Porzellanmacher von Rosenthal, die Vorzeige-Modelleisenbahner von Märklin und die Unterhosen-Pioniere von Schiesser - alle pleite. Deutsche Traditionsmarken sind, so scheint es, von der Pleitewelle erfasst. Und es werden noch mehr, meint die "FAZ". Ist daran die Wirtschaftskrise schuld? Ich glaube nein. Sehen wir uns die drei Marken einmal genauer an:



Rosenthal:

1879 gegründet, ein Traditionshersteller von Porzellan und  Tischware. Rosenthal wurde groß zu einer Zeit, als das gehobene Bürgertum noch intakt war. Ein Porzellan-Service galt als Status-Symbol. Etwas, das sich bessere Stände leisten und dessen Benutzung mit einer gewissen Tischkultur einherging. Porzellan-Serien wie Sanssouci Elfenbein atmen noch heute den Geist einer anderen Zeit. Wer kauft so etwas heute? Kaum einer. Wer Geschirr kauft, der deckt sich in der Regel bei Ikea und Konsorten ein. Vielleicht hat man auch das eine oder andere Teil von den Eltern vermacht bekommen. Porzellan taugt nicht mehr als Statussymbol. Es ist ein Gebrauchsgegenstand, quasi Wegwerfware. Das kann man bedauern, aber es ist so. Rosenthal screen-capture-2passt nicht mehr in die heutige Zeit, die Produkte haben sich überlebt. Die Firma hat nur scheinbare Versuche unternommen, sich zu modernisieren. Linien mit pseudo-modernen Namen wie "Studio-Line" wurden aufgelegt. Designer wurden hergenommen, die Porzellan in einem großen modernistischen Missverständnis schlimme Scheußlichkeiten aus Porzellan entwarfen.

Die Verjüngung und Modernität der Marke war nur eine scheinbare. In Wahrheit ist Rosenthal dem Denken des 19. Jahrhunderts verhaftet geblieben, lebte vom alten Ruhm und dem Nachglanz der großen Zeit. Bis jetzt.

Märklin:

Noch älter als Rosenthal. Märklin wurde 1859 gegründet. Der Name steht für Modelleisenbahnen wie Tempo für Taschentücher und Tesa für Klebestreifen. Bloß dass Modelleisenbahnen keine Konsumgüter sind, die sich schnell verbrauchen. Hinter Märklin steht, wie bei Rosenthal, große handwerkliche Meisterschaft und Tradition. Zwei Faktoren auf die man sich zu lange verlassen hat. Es ist diese Attitüde, dass es Märklin schon immer gab und darum auch immer geben wird, die so gefährlich ist. Die Firmenlenker können sich eine Zukunft ohne die Modellbahn nicht vorstellen, weil sie eine Vergangenheit ohne sie nicht kennen. Mittlerweile kommen die Zuwachsraten bei der Spielzeugbranche in erster Linie von digitalen Produkten wie Videospielen. Bei Märklin hat sich die Innovation stets "nur" darauf beschränkt, die nächste bessere und noch detailverliebtere Lokomotive zu bauen. Ehrenwert, aber kurzsichtig. Warum kein Videospiel oder Online-Game mit Zügen unter dem Namen Märklin? Klötzchen-Meister Lego zum Beispiel bietet auch Videospiele an und will im August sogar in das nach wie vor boomende Segment der Brettspiele einsteigen. So kann Innovation bei einer traditionellen Spielzeugmarke aussehen.

Schiesser:

Schiesser Feinripp, das kennt jeder. Das ist das Grundproblem aller drei pleite gegangenen Traditionsmarken hier. Alle kennen sie, kaum einer kauft sie. Weil die Produkte mittlerweile an der Lebenswirklichkeit des modernen Konsumenten vorbeigehen. Schiesser wurde übrigens 1875 gegründet, also genau wie die beiden anderen Pleite-Marken im vorvorigen Jahrhundert. Mit Schiesser verhält es sich nun aber ein kleines bisschen anders als mit den anderen beiden. Die Marke wird zwar immer noch mit der klassischen Herren-Feinripp-Unterhose und dem Image der "Liebestöter" in Verbindung gebracht. Die Designer haben es aber fertig gebracht, durchaus ansehnliche, schnörkellose Unterwäsche von hoher Qualität zu produzieren, die durchaus auch dem Zeitgeist entspricht. Schiesser hat sich nicht allein auf die mystische Kraft des Feinripp verlassen, sondern seine Unterhosen-Expertise auch als Hersteller für andere Marken wie Mexx, Seidensticker, Wolff, Levi’s, Puma, Strellson, Ralph Lauren und Jacques Britt genutzt. 2004 verlegte Schiesser aus Kostengründen die Produktion aus Deutschland komplett nach Tschechien und Griechenland, aber immerhin nicht nach China. Schiesser wird nun auch von Fehlern der Vergangenheit heimgesucht. So ist die Firma in den 90er Jahren stark im Ausland expandiert und hat sich damit hoch verschuldet. Das Auslandsgeschäft wurde mittlerweile aber wieder abgestoßen, die Schulden blieben.

Fazit:

Alle drei Insolvenz-Fälle sind Gründungen aus dem 19. Jahrhundert. Alle drei verfügen über einen hohen Bekanntheitsgrad und starke Marken. Alle drei Firmen stellen Produkte von höchster Qualität her. Alle drei fühlten sich aufgrund ihrer langen Tradition und handwerklichen Meisterschaft immun gegen Veränderungen des Konsumverhaltens und Krisen. Alle drei sind pleite. Wobei ich für Schiesser noch die besten Chancen sehe, heil aus der Insolvenz wieder rauszukommen. Rosenthal und Märklin haben allerdings ein strategisches Produktproblem, das sich nicht ohne weiteres beheben lassen wird. Sieht das jemand anders? Diskussion gerne in den Kommentaren!

6 Kommentare:

  1. Ich gebe Dir recht wenn es um die Fehleinschätzung bezüglich der Immunität geht, das ist in solchen Traditionsfirmen sicher kein geringes Problem.

    Ohne jetzt wirklich die Internas zu kennen, nur rein nach Gefühl (und ein bißchen Erfahrung):

    Ich denke dass Qualität und Wachstum sich ab einem bestimmten Zeitpunkt konträr verhalten und genau da haben diese (und noch viele andere) Unternehmen ihre Probleme. Es gab und gibt Käufer für diese Qualität, aber eben nicht unendlich viele. Wenn ich aber mit aller Gewalt wachsen will, dann muss man diversifizieren, wie bei Lego. Die Frage, die sich mir bei soetwas immer stellt ist ob dieses Wachstum auf Teufel komm' raus wirklich sein muss(te)?

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  2. Ich glaube auch, das Wachstum ein Feind der Qualität sein kann. Je mehr ein Unternehmen auf Massenproduktion setzt, desto schwieriger wird ein effizientes Qualitätsmanagement und auch der Kundendienst wird nicht leichter. Interessant in diesem Zusammenhang, das z.B. Apple sich auch viel häufiger als früher mit Qualitätsproblemen rumschlagen muss, seit die mehr Rechner verkaufen.

    Die Probleme von Märklin und Rosenthal sind aber, denke ich, wirklich auch darin begründet, dass es Produkte aus einer anderen Zeit sind. Was ein Finanzinvestor, der im Regelfall auf Wachstum und flotten Ausstieg spechtet jemals geritten hat, einen Hersteller für Modelleisenbahnen zu übernehmen, das weiß der der Himmel...

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  3. Nun, bei Märklin habe ich ein wenig Hintergrundwissen. Die Eigentümerfamilie war sich nicht mehr grün und es gab großes Desinteresse an der Firma wohl aber für's Geld. Außerdem habe ich das A****ch kennengelernt, welches den Deal mit dem Investor eingefädelt hat. Diese Mischung tötet jede gute Traditionsfirma. Bei Märklin ist es einfach nur Schade um die Produkte, dass sind teilweise schon Kunstwerke (und ich bin kein Modelleisenbahner).

    Design zu kritisieren fällt mir schwer, von wegen Geschmacksache oder so. Bei Rosenthal glaube ich auch, dass sich wirklich das Kaufverhalten so verändert hat, dass ein Fortführung dieser Marke unter Wachstumsgesichtspunkten unmöglich ist. Die Marke und die Produkte selber könnten m.M.n. ohne Probleme weiterexistieren, nicht aber in den Händen eines Großkonzerns. Auch eine Diversifikation hin zu Massenware würde dem Produkt weiteren Schaden zufügen. Aber wie man sieht ist Rosenthal nicht der einzige Hersteller der über den Jordan geht (siehe z.B. Wedgewood)... also völlige Zustimmung, Porzellanzeugs will keiner mehr.

    Und Dein Apple-Beispiel ist genau richtig, nur dass die sich eine unverbesserlichen "Fanbase" geschaffen haben, die Qualitätsprobleme wie einen Coolnessfaktor behandelt (schon mal bei Gravis an der Espressobar gestanden, während dein Mac-Book darauf wartet, dass einer der Servicegötter sich seiner erbarmt?).

    Und Schiesser. Naja, dass ist eigentlich aus meiner Sicht produktseitig her nicht nachzuvollziehen, da wurde wahrscheinlich wirklich beim Globalisierungshype Geld zum Fenster rausgeschmissen ...

    Insgesamt muss man wohl konstatieren, dass man mit diesen "alten" Firmen anders verfahren muss als es Shareholder und BWL-Bücher heutzutage propagieren. Vielleicht hilft die Weltwirtschaftskrise ja ein wenig beim (Um-)Denken ;-)

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  4. Das wäre zu hoffen, dass die Krise wenigstens ein gewisses Umdenken fördert. Ich halte die Fixierung auf Wachstum sowieso für Irrsinn. Warum kann es keine Firmen geben, die gute Produkte herstellen, die Kunden freuen sich und die Firma kann ihre Mitarbeiter davon gut bezahlen. Warum muss immer diese zweistellige Umsatzrendite her? Klar, dass man da irgendwann wieder Luft ablassen muss.

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  5. Übrigens ...Sonntag, 12.03h, ARD Presseclub:
    Märklin, Schiesser, Rosenthal - Aus für "Made in Germany"?

    Ist das Zufall oder hast Du damit was zu schaffen?

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  6. Nee, nee, damit habe ich nix zu schaffen. Das Pleite-Dreigestirn deutscher Traditionsmarken liegt ja als Thema sozusagen auf der Hand...

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