Mittwoch, 29. Juli 2009

Die "FAZ" und ich - eine schwierige Beziehung

TuM



Eigentlich mag ich die "FAZ", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Das Blatt hatfür mich das schönste Zeitungs-Layout in Deutschland, beschäftigt mehr als nur Handvoll begnadeter Schreiber, übt sich bisweilen in exzentrischer Themensetzung und hat, was vielen anderen fehlt: Ideen und eine Haltung. Allein wie die "FAZ" als einzige deutche Zeitung das Foto auf der Titelseite nutzt. Mal wird dort ein aberwitziger Bildbezug zur aktuellen Lage hergestellt, mal auf einen Beitrag im Innenteil hingewiesen, mal wird nur ein extremer Bild-Anschnitt genutzt, um den Foto eine Aussage abzutrotzen. Zuletzt zu besichtigen beim Abgang von Porsche-Chef Wendeling Wiedeking. Während die meisten Zeitungen das Reuters-Foto, auf dem er die Hand zum Abschiedsgruß hebt, einfach ungeschnitten ins Blatt hoben, wählte die "FAZ" auf ihrem Titel einen extremen Bildausschnitt. Von Wiedeking war kaum mehr zu sehen als die Schädeldecke und die zum Abschied erhobene Hand. Er taucht ab, war die von der Redaktion zugefügte Bild-Aussage.

Mein absoluter Lieblingsteil der "FAZ" ist aber die Beilage "Technik und Motor". Die Redaktion verfasst dort Auto-Tests in manchmal fast lyrisch anmutender Sprachgewalt, testet Küchenmesser, Bratpfannen, Fahrräder, Faltboote und Gartenscheren. Eine Oase des Technik-Journalismus in der hiesigen Medienlandschaft. Früher erschien die Beilage stets am Dienstag. "Dienstag ist Technik & Motor"-Tag, so die Formel des "FAZ"-Fans. Irgendwann, unter der Bürde von Anzeigenkrise, Papierkosten und Auflagen-Schwund, entschied man sich, den "Technik & Motor"-Teil auf den Samstag zu verlegen. Dafür wurde der samstägliche "Motormarkt" eingestellt. Das Kalkül dahinter war so nachvollziehbar wie offensichtlich. "Technik und Motor" ist prestigeträchtig, redaktionell sicher teuer produziert und quasi anzeigenfrei. Der Redaktionsteil vom "Motormarkt" interessierte mutmaßlich keine alte Sau (lieblose 0815-Auto-Artikel). Aber es gab samstags immerhin noch ein paar Rest-Auto-Anzeigen, die noch nicht ins Internet abgewandert waren. Also: Man spart Produktionskosten, indem man den Motormarkt einstellt, behält aber die Anzeigen, indem man die teure "Technik und Motor"-Beilage einfach auf den Samstag verlegt.

Soweit die zeitungspapiergraue Theorie. Blöd nur, dass die Leser nicht mitspielen wollten. Seit 21. Juli erscheint "Technik und "Motor" nämlich wieder dienstags, wie früher. Grund: Offenbar erreichten die Redaktion waschkörbeweise die Beschwerden. Die Leser wollten sich einfach nicht mit einer scheinbar banalen Änderung des Erscheinungstages ihrer Lieblingsbeilage abfinden. Die einen führten an, samstags keine Zeit zum Lesen zu haben weil man ja einkaufen müsse. Andere fühlten sich von der überbordenden Zahl der Beilagen am Samstag erdrückt usw. Die meisten wollten aber einfach auf ihre liebgewonnene Gewohnheit "Technik und Motor" am Dienstag zu verkonsumieren einfach nicht verzichten. Die Redaktion erhöht das Flehen der Leser, die eine oder andere Androhung einer Abo-Kündigung mag auch nachgeholfen haben, und legte die Beilage wieder auf den Dienstag.

Ein prima Anlass, "Technik & Motor" mal bei Meedia, einem Online-Medien-Magazin und mein Brötchengeber, vorzustellen, dachte ich. Eine schöne Geschichte, die zeigt, dass den Leuten noch was an Print und der Tageszeitung liegt, und dass die olle "FAZ" manchmal sogar auf Leser hört, die Interaktion mit den User sucht, müsste man wohl sagen. Also den Ressortleiter "Technik und Motor"  auf dem Handy angerufen. Ein überaus freundlicher Herr, gerade mit dem Auto unterwegs. Wahrscheinlich Testfahrt. Ja, so ein Interview fände er auch gut, aber ich solle doch bitte vorher den zuständigen Herausgeber fragen, ob das auch in seinem Sinne OK ist. Der zuständige Herausgeber in dem Falle ist Holger Steltzner, auch zuständig für die Wirtschaft in der "FAZ".

Also im Büro des Herausgebers angerufen und der freundlichen Vorzimmerdame meinen Plan geschildert. Herr Steltzner befand sich leider im Urlaub. Aber kann man da gar nichts machen? Die Dame versprach, sich zu kümmern. Nachdem eine Reaktion ausblieb, hakte ich am nächsten Tag nach. Da werden die doch nix dagegen haben, mutmaßte ich. Fest gewillt, die redaktionelle Trommel für "Technik und Motor" zu rühren. Die Geschichte wäre ja rein positiv. Beim nächsten Anruf: Ja leider, konnte der Ressortleiter nicht erreicht werden. Der ist unterwegs.
"Ich weiß, dass der unterwegs ist. Ich habe den gestern aber sofort auf dem Handy erreicht. Es ging ja darum, ob der Herausgeber mit dem Interview einverstanden ist."

"Ich hätte aber vorher gerne noch den Ressortleiter dazu gefragt...kann den aber nicht erreichen."

"Ich kann Ihnen gerne die Handynummer geben."

"Woher haben Sie die denn?"

"Die steht frei zugänglich in einer Online-Datenbank...Moment..."

Ich gab der Vorzimmerdame die Nummer, sie versprach, sich zu kümmern.

Am nächten Tag die E-Mail:
"Vielen Dank noch einmal für Ihre freundliche Anfrage. Leider muss ich Ihnen aber absagen."

Keine Begründung. Nichts weiter. Naja, einen gewissen Autismus hat man der "FAZ" ja schon immer nachgesagt. Nicht ganz zu Unrecht offenbar. Die "Technik und Motor"-Beilage ist trotzdem gut. Auch ohne Interview.

1 Kommentar:

  1. Claus Dreckmann29. Juli 2009 um 15:33

    Die FAZ ist wirklich großartig. Schön, dass endlich mal "Technik & Motor" gelobt wird! Als Fan der FAS ärgert mich allerdings über deren vergleichsweise schwachen Wissenschafts-Teil. Was für eine gestelzt-wissenschaftliche Sprache! Und wo wir gerade bei Beschwerden sind: Warum wird das großartige FAZ-Rätsel von der FAS nicht einfach übernommen?

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