Donnerstag, 26. November 2009

Der Fetisch Fußball

"Fußball" kreischt der Bub und tritt drauf, dass es scheppert. Der Bub hat ein übergroßes FC Bayern-Trikot an, vermutlich sauteuer. Und wieder: "Fußball!" Bumm. Zack. Schepper. Um Fußball kommt man nicht herum. Fußball ist die Barbie für Jungs.

Alle reden in der Schule von Fußballvereinen und sie datschen. Ein schreckliches Wort: datschen. Für Leute, die keinen Jungen im Grundschulalter haben, muss man vermutlich erst einmal erläutern, was damit gemeint ist. Gedatscht wird mit Datschkarten, das sind die stinknormalen Panini-Fußball-Sammelbildchen. Bloß, dass die Racker nicht sammeln und brav einkleben, sondern datschen. Und das geht so:

Man nimmt zwei Kärtchen, die ja eigentlich Aufkleber sind, und knickt die leicht in der Mitte. Dann werden beide Karten mit dem Rücken nach oben auf den Boden gelegt. Nun hauten die Kontrahenten abwechselnd mit den Handflächen auf den Boden. Vorzugsweise in der Wohnung zur Freude der Untermieter. Wer es als erstes schafft, durch den durch brachiales Hauen und Kloppen erzeugten Luftdruck beide Karten umzudrehen, gewinnt beide Datschkarten, also Fußball-Bildchen. Klingt bekloppt, ist es auch. Hat sich aber an Grundschulen schweinegrippenmäßig ausgebreitet. In einigen Bildungseinrichtungen herrscht bereits radikales Datschkarten-Verbot. Weil es zwischen den jungen Herren immer wieder zu handfesten Meinungsverschiedenheiten über das eher rudimentär festgezurrte Regelwerk kommt.

So ein Päckchen Sammelkarten kosten 50 Cent. Schon erstaunliche, welche Taschengeldmengen da investiert werden. Merke: Man hat nie genug Datschkarten.

Aber der Fetisch Fußball geht über die Sammelbildchen-Datscherei weit hinaus. Von Eltern, Lehrern und anderem Personal wird immer wieder das hohe Lied auf den Mannschaftsport Fußball gesungen. Die Kinderlein lernen, sich in der Gruppe einzufinden,  sie lernen Teamwork, sie lernen mit Niederlagen umzugehen, sie bewegen sich, sie kommen weg vom Fernseher etc. König Fußball, so möchte man meinen, er formt den edlen jungen Menschen.

Komisch. Wenn ich mal mit dem Hund an unserem Dorf-Fußballplatz vorbeilaufe, wenn gerade Training oder ein Spiel ist, sehe ich immer nur eine Horde schlecht rasierter Ohrring-Träger, die sich gegenseitig anbrüllen. Da scheint nicht gerade die künftige Intelligenzija des Landes das runde Leder zu bearbeiten. Fußball kann sicher toll sein, wie jeder Mannschaftssport. Und auch wie jeder sonstige Sport. Aber Mannschaftssport kann auch grausam sein. Wer erinnert sich denn noch an die demütigenden Auswahlverfahren der Teams, bei denen zwangsläufig einer als letzter auf der Bank hocken muss?

Oder das Angebrülle durch Trainer mit Holzacker-Manieren? Das gegenseitige Fertigmachen auf dem Spielfeld, wenn man ein Abspiel oder sonst eine Aktion vermasselt wurde? Fußball kann gut sein, muss es aber nicht für jeden. Und die Fußball-Verrückten in der Klasse unseres Sohnes sind nicht gerade die, die abseits vom Fußball-Platz durch Videospiel und Fernseh-Abstinenz auffallen. Vorsichtig gesagt. Abschließend noch ein kleiner Dialog mit dem kleinen FC-Bayern-Schreihals von nebenan, der eingangs beschrieben wurde. Als mein Sohn eine Folge "Biene Maja" im Kika schauen wollte, lachte der kleine Fuba-Schreihals hysterisch auf.

"Biene Maja", kreischte er, "ist ja voll kindisch."

"Natürlich ist das kindisch", sagte ich, "ihr seid ja auch Kinder. Was guckst Du denn so?"

"Sponge Bob."

Alles klar, keine weiteren Fragen.

3 Kommentare:

  1. Ich bin begeistert - und kann kaum mehr die 2 Jahre bis zur Fußballclubreife meines 3jährigen Ballfetischisten abwarten, wo seine stadionartige Tischmanieren dann wohl den letzten Schliff kriegen werden...

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  2. Ich glaube ja gar nicht wie hier über das Datschen geredet wird, als wäre es eine Krankheit. Selbst ich habe bereits 1996 etwa gedatscht. Nur nicht mit sowas langweiligem wie Fussballsticker, sondern Pokémon Sticker. Und das war immerzu ein Spaß, wir haben uns auch nicht geprügelt oder sonst was. Und Fussball gab's nur richtig, auf dem Sportplatz. Ausserdem trainiert man mit Datschen wohl tatsächlich die Arme, und das Feingefühl. Denn wer zu fest datscht bekommt so wenig wie jene die zu schwach Datschen. Man trainiert also sein Feingefühl. Ich kann auch kaum glauben dass es dafür in unserer Verbotskultur wieder mal ein Verbot gibt. Ist natürlich immer super sowas zu verbieten, statt den Versuch zu unternehmen ein offizielles wenigstens an der Schule bestehendes Regelwerk aufzustellen um die Streitigkeiten zu lösen. Ausserdem ist Fussball sowieso immer Zoffthema, bedenkt man wie es auf dem Platz selbst zugeht.

    Man, Datschen, das waren noch Zeiten. Da war die Welt für mich noch halbwegs in Ordnung. Obwohl ich schon damals mit dem Tod eines Familienmitglieds konfrontiert war, das hat mich etwas bei Laune gehalten. Und danach wurde dann Pokémon geguckt, das wohl mehr Schaden als das Datschen angerichtet hat, mit Team Rocket den Bösewichten die absolut jede Episode wiederkamen und als unverbesserliche Idioten dargestellt wurden. Kein Wunder also wenn man als junger Erwachsener beginnt böse Menschen als unverbesserliche Idioten anzusehen. Wohingegen das Datschen keinerlei Schaden angerichtet hat. Es ist vor allem sehr Lustig zu erfahren, dass das Wort Datschen immernoch existiert, genau wie das Datschen selbst. Besonders weil das Wort an sich keinerlei Sinn macht. Vermutlich Dialekt und kommt von Tatsachen, wie betatschen. Oder vom englischen touch, aber so oder so, es ist amüsant zu erfahren dass es das 2009 immernoch an Grundschulen gab und meine wohl mit eine der ersten war die gedatscht haben.
    Mein lieber Scholli, ich lach mich weg. ������

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  3. tatschen, nicht Tatsachen. Sorry... Die Autokorrektur.

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