Es gibt da dieses Geräusch zur Winterzeit, das einem durch Mark und Bein geht. Dieses Scharren und Kratzen über unregelmäßige Betonflächen. So eifrig und emsig. Dieses Geräusch ist eine einzige, ganz und gar nicht stumme, Anklage. Die Schneeräum-Nazis sind unterwegs.
In Deutschland besteht die so genannte Räum- und Streupflicht, wenn man "Anlieger" ist. "Anlieger" ist man, wenn man Haus- oder Wohnungseigentümer oder Mieter einer Immobilie mit Straßenzugang ist. Wohl dem, der in einer Stadt in einer anonymen Mietskaserne haust, bei der die Wohnungsverwaltung um Ärger zu vermeiden, und den gäbe es ganz zweifellos immer, die Schneeräumpflicht auf einen Hausmeister-Service abgewälzt hat. Das in den Nebenkosten vermauschelte Geld ist gut angelegt.
Sobald in Deutschland dürre Flocken auf den Asphalt rieseln, kommen die Schneeräum-Nazis aus ihren bereits am frühen Morgen neonhellen Stuben gestapft. Es wird gekratzt, gescharrt und gestreut. Die Schneehaufen, die der Gemeinde-Unimog gegen 4.30 Uhr bereits unter ohrenbetäubendem Getöse und gelben Warngeblinke auf den Gehweg geworfen hat, werden pflichtschuldigst wieder zurück auf die Straße zurückgeschippt. So will es das Gesetz.
Was aber, wenn man brav geräumt und gestreut hat, das Haus verlässt, um der sozialversicherungspflichtigen Vollzeitstelle nachzugehen, die das Land aus der Rekordverschuldung rettet, auch dies wird verlangt, und es dann während der Abwesenheit nochmal schneit? Die Vorschriften kennen kein Pardon:
"Die Gehwege müssen werktags bis 7 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen bis 8 Uhr von der weißen Last befreit sein. Auch danach ist unverzüglich, bei Bedarf auch mehrfach zu räumen und zu streuen. Diese Pflicht endet erst um 21 Uhr."
So informiert die ortsansässige Gemeindeverwaltung in ihrem offiziellen Amtsblättchen. Und wer salzt und denkt, das hält dann 'ne Weile, ist auf dem Holzweg:
"Zum Bestreuen darf grundsätzlich nur abstumpfendes Material wie Sand, Splitt oder Asche verwendet werden. Mit Ausnahme von Gehwegen an Steillagen darf kein Salz verwendet werden und auch dort darf der Salzanteil nur bei einem Drittel liegen."
Also: Wenn man das Pech hat, während des Tages außer Haus zu sein, muss man einen persönlichen Diener anheuern, der mit Asche-Eimer, Salz-Messstab und Schippe hinter der Haustür lauert, bis sich wieder eine Flocke zeigt. Nicht vergessen, den Neigungswinkel der Gasse mit dem Geo-Dreicekc nachzumessen! Ansonsten wird man angezeigt und zum Tode durch den Strang verurteilt, wenn sich Oma Kasuppke beim frühmorgendlichen Gassigang im Schneegestöber ihren Hals bricht.
hallo,
AntwortenLöschenna ja in mailand,haben sie letztes mal das militaer zum schneeraeumen auf
die strassen geschickt, und auf den metrotreppen liegt schon bei schneewarnung eine 3 cm salzschicht,ob das besser ist?
gruss regido
Besser nicht. Wenn's schneit sollte jeder selbst verantworten oder man zu Fuß rausgeht oder nicht. Was ich schlimm finde, ist diese Angst bei manchen, dass man sofort verklagt wird, wenn man mal nicht hundertprozentig geräumt hat.
AntwortenLöschenIch verstehe den Begriff Schneeräum-Nazis nicht. Wieso Nazis?
AntwortenLöschen@Sno Das geht auf Reinhard Mey zurück. Der hat in einem Interview Leute in seiner Nachbarschaft aus Sylt, die geradezu manisch und terrormäßig Rasen mähen, als "Gartennazis" bezeichnet.
AntwortenLöschenSo etwas wie diese Tagsüber-Räum-Pflicht regt mich auf. Ebenso wie Handwerkerbesuche, bei denen die Besucher außerstande sind, eine vernünftige Terminabsprache zu machen, die über ein "Wir kommen am Dienstag zwischen 14 und 18 Uhr" hinausgeht. Weil sich hier die Unfähigkeit zeigt, sich andere Lebensmodelle als den Einverdiener-Haushalt vorzustellen. "Geht das nicht genauer? Zwischen 14 und 18 Uhr muss ich arbeiten." "Na, aber ihre Frau wird ja wohl da sein?"
AntwortenLöschenTagsüber Schneeschippen. Man fasst es nicht.
:-),ja hast du recht, und auserdem soll es ja auch frauen geben die alleine leben und arbeiten.....da geht dann gar nix mehr
AntwortenLöschengruss regido
@zahnwart: Zwischen 14 und 18 Uhr ist ja noch relativ eng gefasst. Manchmal heißt es auch: Wir kommen ab 7 Uhr. "Wie? Ab?" Nachfragen, ob es nicht konkreter geht, werden dann auch schon mal mit dem Hinweis, es komme halt darauf an, "wie die Tour läuft" beschieden. Aber Handwerker sind ohnehin nochmal ein ganz eigenes Thema...
AntwortenLöschenDas System (Schneeschippen wie Handwerker) scheint mir noch aus den goldenen Zeiten zu stammen, in denen man es sich leisten konnte, dass einer nicht arbeiten gehen muss.
AntwortenLöschenWobei die Städte sich mit ihrer eigenen Räumpflicht dann geschickt ausnehmen.
Und nebenbei soll man Salz gar nicht und Splitt nur sparsam verwenden. Natürlich.
Dann doch lieber realistische Regeln für alle. Oder eben mehr Verantwortung - aber da ist plötzlich selbst die FDP nicht mehr dafür ("nationale Streusalzreserve").
Wie machen denn das Österreich oder die Schweiz auf den Fußwegen in ihren Skigebieten?
ich finde, die Handwerker sollten den Schnee schippen, die kommen doch eh ab sieben Uhr vorbei!
AntwortenLöschenTja, ich weiß ja nicht, wo ihr wohnt - aber hier in Hamburg haben wir jetzt auf den allermeisten Gehwegen eine solide Eisschicht, weil fast niemand den Schnee weggeräumt hat, als das noch möglich gewesen wäre. Von "Schneeräum-Nazis" nix zu sehen - stattdessen Hochbetrieb im Krankenhaus, weil sich alle Naselang irgendwelche Omis ihre Knochen brechen. Ist das nun besser?
AntwortenLöschenIch war neulich auch in Hamburg und mich hat es hingehauen. Das war aber eigentlich nicht gemeint. Natürlich sollte die Stadt räumen etc. Ich wollte mit den Schneeräum-Nazis ja gerade sagen, dass es meiner Meinung nach eine Aufgabe der Kommune ist.
AntwortenLöschenDas in HH und Berlin liegt ja glaube ich daran, dass denen das Salz ausgegangen ist.
Mir ging es mit dem Text in erster Linie darum, die teils unsinnigen Schneeräum-Vorschriften von Gemeinden anzuprangern, die dann von übereifrigen Zeitgenossen peinlichst genau eingehalten werden. Egal ob es Sinn ergibt oder eben nicht.
Zum Glück taut es jetzt....
Beste Grüße
SW
ich kann die Schneeräum- noch mit den Abschließ-Nazis toppen: mein Vermieter hat mich gestern morgen angebrüllt, daß ich gefälligst die Haustür abzuschießen habe, wenn es dunkel ist. Es war 7.30 Uhr und ich hab direkt vor der Tür Schnee geschippt. Soviel zu unsinnigen Regeln und übereifrigen Zeitgenossen.
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