
Die Barbour-Jacke. Ein viel geschmähtes Qualitätsprodukt von der britischen Insel. Wer studiert hat, wird die Vorurteile gegenüber diesem Kleidungsstück kennen. Grund sind in erster Linie die Studierenden der juristischen Fakultäten, in Ansätzen auch Betriebswirtschaftler, die gerne mit Barbour-Jacke und Halstüchlein, die Nase hübsch weit oben über den Campus trippelten. Ob die Jacke immer noch an Unis in gewissen Kreisen beliebt oder verhasst, je nachdem, ist - keine Ahnung. Zu lange ist es her. Das Vorurteil eine ziemliche Snob-Joppe zu sein resultierte aus der Attitude der Träger und vor allen Trägerinnen, das traditionsschwangere britische Oberhaus-Flair, das dieses Kleidungsstück umweht, und den exorbitanten Preis. Damit auch ja jeder Depp kapiert, dass man eine echte, also sauteure Barbour-Jacke trägt, werden mit den Dingern kleine Anstecker mit "Barbour"-Schriftzug geliefert, die man sich an den Cord-Kragen pinnen kann. Man kann es aber auch lassen, was aus Understatement-Gründen (British!) in jedem Fall zu begrüßen ist.
All dies Buhei um die Jacke lenkt aber davon ab, dass die Barbour außerhalb der Uni in ihrem ureigenen Einsatzgebiet, dem Wald, eines der allerbesten Kleidungsstücke überhaupt ist. Auch wenn die "Süddeutsche" sie in einem recht lustigen Artikel als "schlammfarbene Wachstischdecke mit Ärmeln" schmähte. Die Jacke ist aus gewachster Baumwolle gefertigt, weswegen sie leicht ranzig rumstinkt. Gehört zum Flair. Allerdings sorgt das Wachs dafür, dass die Barbour ohne wenn und aber wind- und wasserdicht ist. Da können selbst Hightech-Klamotten mit Gore-Tex und Co. kaum mithalten. Je kälter es wird, des mehr verhärtet sich das Wachs und wird wie zu einem Panzer. Wird es wärmer, wird die Jacke flexibler. Ein geniales, bisher unerreichtes Prinzip.
Die Barbour-Jacke ist zeitlos. Der Schnitt ist klassisch, die Farbpalette ist auf grün, blau und braun reduziert. Die Firma experimentiert zwar in zunehmendem Maße mit modischen Varianten und Schnitten. Das kann man aber im Prinzip ignorieren. Die berühmtesten Modelle: Die Barbour Beaufort und die Barbour Border. Für Frauen wird gerne das etwas zierlichere Modell Bedale genommen.
Das Modell Beaufort wirkt ein wenig ziviliver und die Ärmel sind in einem Raglan-Schnitt angenäht. Bei der Border sind die Ärmel gerade angebracht, was der Jacke samt ihrer generell etwas größeren Abmessungen ein wuchtigeres Äußeres verleiht. Beide Modelle verfügen über ganz tolle Handwärmer-Taschen, die mit Moleskin gefüttert sind, den typischen Cordkragen inkl. Knöpfen zum Anbringen einer Kapuze. Man kann optional auch noch einen Kunstpelz in die Jacken einzippen. Früher wurde der mal geknöpft. Barbour ist auf Reißverschlüsse umgestiegen, weil die Druckknöpfe zum unabsichtlichen Aufgehen tendierten.
Noch was hat sich geändert: Seit einiger Zeit haben die Barbour-Jacken ein einheitliches, neues, groß-kariertes Innenmuster. Das alte, traditionelle Tartan-Muster wurde ersetzt, weil das Tartan-Muster nicht patentierbar war und von Billig-Herstellern fleißig imitiert wurde. Das neue Muster ist auch hübsch und die Familie Barbour hat es sich patentieren lassen. Meiner Meinung hätten die das nicht nötig gehabt, denn der Kenner sieht, ob er es mit einer echten oder eine Fake-Barbour-Jacke zu tun hat.
Ein Gag bei dem Modell Beaufort ist natürlich die Wild-Transport-Tasche im unteren Rücken. Die große Tasche ist mit Kunsttoff gefüttert und soll dazu dienen, einen spontan im Wald erlegten Hasen oder Ähnliches ohne große Umstände nach Hause transportieren zu können. Ich kenne keinen, der sowas je gemacht hat, aber es ist natürlich Teil der Barbour-Legende.
Ebenfalls zum Mythos dieser Jacke gehört das Nachwachsen. Nach einigen Jahren sollte man nämlich die Wachsschicht erneuern, sonst trocknet die Jacke aus und der Stoff kann Risse bekommen. Barbour verkauft zu diesem Zwecke kleine Dosen mit Original-Wachs, das man in einem Topf mit heißem Wasser erhitzen soll, bis es flüssig ist. Danach wird das Wachs in die Jacke eingerieben und anschließend macht man den Finish mit einem Fön. Soweit die Theorie. Jeder, der das mal in echt versucht hat, weiß, dass man beim Nachwachsen einer Barbour-Jacke leicht in Teufels-Küche kommt und sich das feine Kleidungsstück ziemlich versauen kann. Sobald man vor Verzweiflung anfängt, das Bügeleisen vorglühen zu lassen, weiß man, dass es zu spät ist.
Mittlerweile gibt es von anderen Herstellern auch Wachs in Sprühflaschen für den Hausgebrauch. Das funktioniert ganz gut, ist aber natürlich nicht das Original Barbour-Wachs. Die Briten weigern sich beharrlich, ihr Original-Wachs in Sprühdosen abzufüllen. Wäre ja auch zu einfach. Stattdessen darf man seine Jacke zu Barbour einschicken und für derzeit 45 bis 47 Euro generalüberholen lassen. Bei dem Vorgang wird sie auch gleich wieder fabrikmäßig nachgewachst. Barbour Beaufort und Border kosten jeweils 329 Euro. Ein stolzer Preis und die Dinger sind so gut wie nicht billiger zu bekommen. Allerdings sind sie das Geld, im Gegensatz zu manch neumodischem High-Chem-Lappen, auch Wert. Siehe hierzu auch: Man trägt jetzt ganz bewusst Low-Tech.
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