Sonntag, 9. August 2009

Die Probleme von Tchibo - und wie man versucht, sie zu lösen

Tchibo hat ein Problem. Es läuft nicht mehr so geschmiert wie in früheren Jahren. Das Geschäft mit dem Kaffee ist ohnehin schon lange ein sehr schwieriges. Auf der einen Seite gibt es hippe, ultrateure Coffee-Shops wie Starbucks oder Balzac, die auch zu kämpfen haben. Auf der anderen Seite gibt es sehr viele Gelegenheiten, Billig-Kaffee zu konsumieren. Aldi und Co bieten qualitativ ordentlichen Kaffee zu Kampfpreisen für zuhause. Ketten wie Back Factory oder Ditsch versorgen den preisbewussten Koffein-Junkie on the go. Für die spießigen Tchibo-Filialen bleibt zwischendrin wenig Platz.

Eine ganze Zeit lang war das kein großes Problem, denn Tchibo konnte mit seinem  erfolgreichen Non-Food-Geschäft die Kaffee-Krise locker ausgleichen. Man leistete sich den Kaffee aus Traditionsgründen und als Lockstoff für die Käufer der Tchibo Non-Food-Produkte. "Jede Woche eine neue Welt" hieß und heißt das Rezept, nach dem jede Woche das Non-Food-Sortiment bei Tchibo wechselt. Damit spielt der Kaffeeröster aus der Hamburger City Nord in derselben Discounter-Liga wie Aldi, Lidl und Co.

Nur dass Tchibo bislang ein besseres Image hatte. Die Waren waren ansprechend präsentiert, Kaffeeduft lag in der Luft. Es gab so etwas wie ein Einkaufserelebnis und die Produkte trafen den Geschmack der Verbraucher. Da liegt nun das Problem: die Produkte. Man könnte den Tchibo-Claim mittlerweile umbenennen in "Jede Woche schon wieder eine Welt, die sie schon kennen." Man kann es gar nicht mehr zählen, wie oft einem schon die Tchibo-Kinderregenjacke angeboten wurde, das Badezimmerradio mit schlechtem Empfang oder die rappelige Outdoor-Taschenlampe, der Tchibo-Büstenhalter, Tchibo-Badezimmer-Buddhas, Tchibo-Pastateller und Oliven-Schiffchen. Und das Zeug sieht auch noch jedesmal mehr oder weniger gleich aus. Es hat sich über Jahre ein gewisser Tchibo-Stil herausgebildet. Nicht richtig scheiße aber auch nicht toll. Wenn's kapuutgeht, egal. In ein paar Wochen kommt's ja wieder ins Sortiment.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich bei noch mehr Kunden ein gewisser Tchibo-Überdruss breitgemacht hat. Schon im Jahr 2006 meldete Tchibo rückläufigen Umsatz und Gewinn. 2007 brachen Gewinn und Umsatz erneut ein. Der Umsatz ging um sieben Prozent von 3,75 auf 3,5 Milliarden Euro zurück. Das Ergebnis fiel gar um 38 Prozent von 177 auf 67 Millionen Euro. Neuere Zahlen habe ich nicht gefunden. Gerüchte von nicht verkauften Waren im Wert von vielen hundert Millionen Euro, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der genannten Zahlen die Runde machten, wies der Tchibo-Mutterkonzern Maxinvest zurück. Die Gerüchte passen aber ins Bild.

Bei Tchibo ist man sich des Problems der fehlenden Produkt-Innovation offenbar bewusst. Ende April 2008 erblickte darum Tchibo Ideas das Licht der Öffentlichkeit. Eine Community, in der Tchibo seine Kunden aufrief, sich selbst neue Produkte auszudenken, die sie gerne kaufen würden. Die besten Produkt-Ideen werden regelmäßig auf tchibo-ideas.de vorgestellt und sollen auch die Chance bekommen, umgesetzt zu werden. Bisher tatsächlich produzierte Tchibo-Ideas-Produkte: 2.

  • eine Sattelbox mit Schutzbezug für den Fahrradsattel

  • ein Schneidebrett mit Schale drunter, um das Schnittgut zu sammeln


Naja. Groß getrommelt wird nicht mehr für Tchibo Ideas (die Idee zu Ideas hatte Tchibo von Starbucks geklaut) und auf der Website prangt über ein Jahr nach dem Start noch das Beta-Logo. Die Prognose, dass die Tchibo Ideas bald sanft entschlummern, scheint nicht allzu gewagt.

Stattdessen stürzt sich Tchibo auf ein anderes umsatzträchtiges Feld: Dienstleistungen. Die Tchibo-Telefonkarten laufen dem Vernehmen nach gar nicht schlecht. Seit neustem bietet Tchibo nun auch noch einen UMTS-Stick mit günstiger Tagesflat (2,95 Euro für 24 Stunden Online-Zugang) an. Wie aus Verlagskreisen zu hören ist, verhandelt Tchibo derzeit mit der Bauer Media Group (u.a. "Das Neue Blatt", "Neue Post", "das neue") über eine Kooperation im Mobilfunk. Mehr dazu habe ich hier in meinem Meedia-Blog geschrieben. Kalkül der Kaffeemacher: Die Marke Tchibo genießt bei der älteren Zielgruppe ein hohes Ansehen. Die Bauer-Blättchen werden in erster Linie von Alten gelesen. Warum nicht beides zusammen bringen? Ob es da ein Ergebnis gibt und wie das aussehen könnte, ist noch unklar. Vom Tchibo-Senioren-Handy bis hin zu einer schnöden Anzeigen-Kooperation ist vieles denkbar.

Das alles ist gut und schön, hilft aber nicht dem Kerngeschäft. Vor einiger Zeit hatte Tchibo ja schon mal angekündigt, mehr auf hochwertigere Produkte setzen zu wollen. Gemerkt hat man davon bisher als Kunde nichts. Die Probleme im Kerngeschäft sind offenbar sehr tiefgreifend. Das wird Tchibo vermutlich nicht mit einem schicken Surf-Stick und einem Oma-Handy beheben können.

3 Kommentare:

  1. Eigentlich schade, dass Tchibo dieses Potenzial so brach liegen läßt. Also, wenn die Kunden schon für lau sagen, was sie gerne kaufen würden...

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  2. Mir ist beim Durchblättern der letzten Tchibo-Kataloge auch aufgefallen, dass die Produkte sich wiederholen und sich immer öfter ein "was soll man denn mit dem Prütt, das braucht doch keiner" einschleicht. Oft genug stehe ich auch vor dem Regal und erwische mich dabei wie ich denke, DAS bekommst du bei der entsprechenden Aldi-, Lidl- Netto- etc. Aktion günstiger. Und ja, die überteuerten Tchibo-Küchen- oder Designradios mit analogem Drehknopftuner, der garantiert beim nächsten Einschalten den Sender verloren hat, kommen mir auch nicht mehr in die Tüte.

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  3. Man kann es gar nicht mehr zählen, wie oft einem schon die Tchibo-Kinderregenjacke angeboten wurde, das Badezimmerradio mit schlechtem ... badezimmerradio.blogspot.de

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